18 Repor t D en Knoten in der Brust ertastet Tina Z. selbst. Zwar arbeitet sie als Arzthelferin und ist mit medizinischen Belangen und schlim- men Diagnosen vertraut, doch als sie nun plötz- lich selbst erfährt, dass der Tumor höchstwahr- scheinlich bösartig ist, kann sie auf dem Weg von der Mammografi e zurück zu ihrer Arbeitsstelle nur völlig verzweifelt weinen. Die größte Sorge der Alleinerzie- henden: Werde ich überleben, bis meine Kinder aus dem Gröbs- ten raus sind? Chef und Kollegen können sie beruhigen: „Warte erst mal die Gewebeprobe ab.“ Und sie stellen die fachlich richti- gen Fragen, etwa: „Bist du familiär belastet?“ Für Tina Z. ist diese rationale Herangehensweise der richtige Weg, um ihre Gedan- ken ordnen und die Panik relativieren zu können. Doch abends kommt die Angst zurück. Sie ruft ihre Freundin an, die sagt nur: „Komm vorbei!“ Die halbe Nacht liegt sie in den Armen der anderen, kann weinen, sich anleh- nen. Das gibt ihr Kraft. Sie ist froh, ihren Kum- mer erst einmal hier loswerden zu können. Sie fühlt sich noch nicht in der Lage, ihren Eltern und den beiden Kindern die schlechten Nach- richten zu überbringen, will sie nicht belasten. Dass sie ihre Angst bei der Freundin rauslassen kann, ist in diesem Moment ganz wichtig. Die ist einfach nur für sie da. Im weiteren Verlauf des Beisammenseins, als ein Gespräch wieder möglich ist, baut sie sie ebenfalls mit Vernunft auf: „Auch mit ei- ner Krebsdiagnose kann man noch lange leben. Es ist nicht das Ende, du wirst es schaffen, und ich helfe dir dabei.“ Als nach den Untersuchungen feststeht, dass Tina Z. an Krebs erkrankt ist, „Lass raus, was rausmuss“ t a v i r P : o t o F schlägt eine andere Freundin vor, sie bei der Aus- wahl einer Perücke zu begleiten, damit sie diesen Gang nicht allein machen muss. Auch dies emp- fi ndet sie als wertvolle Unterstützung. Viele aus ihrem Freundeskreis dagegen kön- nen mit der Situation überhaupt nicht umgehen. Sie fragen weder, wie es ihr geht, noch bieten sie Hilfe an. Im Gegenteil: Sie ziehen sich komplett zurück. Oder es kommen mitleidig gesäuselte Plattitüden wie „Das wird schon wieder!“. Dabei hätte es Tina Z. geholfen zu merken: Da ist je- mand, der sich für mich interessiert. Andererseits spürt sie auch, wie viel sie den Freundinnen, die sich kümmern, abverlangt. Sie hätte diese Last lieber auf mehr Schultern verteilt. Denn auch nach der Diagnose hat die Angst sie immer wieder fest im Griff – als man ihr recht unverblümt erklärt, wie die Chemotherapie ablaufen wird, als ihr Sohn sie fragt „Mama, musst du sterben?“, ablaufen wird, als ihr Sohn sie fragt „Mama, musst du sterben?“, als ein Jahr später Zysten auf ihrer Leber ent- deckt werden. Meistens ist es die gute Freun- din, der sie sich dann anvertraut und die nur antwortet: „Lass raus, was rausmuss.“ Die mo- tiviert sie auch zu Aktivität, stellt gemeinsame Unternehmungen auf die Beine, die ihr guttun. Ihre Eltern greifen ihr in praktischer Hinsicht unter die Arme. Sie kümmern sich um die Kinder, kochen für alle oder versuchen, die Sorgen der Teenager in Gesprächen aufzufangen. Beides, das stets offene Ohr der Freundin wie die konkrete Unterstützung der Eltern, empfi ndet Tina Z. in ihrer persönlichen Krise als „ganz extrem wichtig“. Auch dass ihr engstes Umfeld sie zu der Reha überredet, die sie sich eigentlich sparen will, wird zu einem per- sönlichen Glücksmoment. Denn dort lernt sie eine neue Liebe kennen. Und plötzlich sind da wieder ganz viele positive Gefühle und Pläne für die Zukunft. D urch eine bittere familiäre Erfahrung in ihrem Leben, die sie als höchst ungerecht empfi ndet, lernt Angelika G. das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des Verlorenseins kennen. So mancher Trostversuch, der sie nun erreicht, ist wenig hilfreich. Verzeihen zu lernen, wird ihr unter anderem geraten. „Das ist sicher richtig und gesund“, denkt sich Angelika G., „aber es ist eben auch nicht ganz einfach.“ Vereinzelt hat sie im Bekannten- t a v i r P : o t o F