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MiB_Dezember-2015

21 Herr Rauch, unter welchen Umstän- den haben Ihre Helfer in der ersten September-Woche gearbeitet? Es fiel so viel Arbeit an, dass wir an sie- ben Tagen in der Woche aktiv waren. Dabei waren einige Nachtschichten fällig: von 18 Uhr bis 6 Uhr in der Früh, und einige von uns mussten dann naht- los zur Arbeit. Da braucht es viel Ver- ständnis seitens der Arbeitgeber. Die Tagschicht begann um 6 Uhr, da musste man je nach Anfahrtsweg um 4 Uhr aufstehen. Meine Helfer waren dann abends so gegen 21 Uhr wieder daheim, weil die Übergabe an die nächste Schicht immer etwa eine Stunde dauerte – wenn man eine Unterkunft komplett übergeben musste, in der sich bis zu 4500 Flüchtlinge aufhielten. Dann noch mit den Einsatzfahrzeugen zu den Wa- chen zurückfahren und das Material für den nächsten Tag auffüllen, das zieht sich. Hatte man am nächsten Tag wieder Tagschicht, kam der Schlaf deutlich zu kurz. Von der Familie gar nicht zu reden ... Wie haben die Helfer ihre Eindrücke bei diesem Einsatz verarbeitet? Die Einzelschicksale, von denen wir in diesen Tagen erfahren haben, können zur seelischen Belastung werden. Sie kommt zu der körperlichen Anstrengung hinzu. Faszinierend ist dann immer wie- der, dass die Helfer so motiviert sind zu helfen, dass sie das alles mitmachen. Sie nehmen sich Urlaub oder bitten ihren Arbeitgeber um einen freien Tag. Denn sie machen ihre Arbeit gern. Sie helfen mit Freude – zeigen sich aber in diesem Fall auch sehr kritisch den Verantwortlichen gegenüber. Die Rahmenbedingungen unserer Hilfs- einsätze bieten einiges Verbesserungs- potenzial: Wir bemängeln, dass es für uns immer noch keine gesetzliche Frei- stellung vom Arbeitsplatz gibt, wie sie zum Beispiel die ehrenamtlichen Helfer der Freiwilligen Feuerwehren in An- spruch nehmen können. Bei uns muss je- der selbst schauen, wie er frei bekommt. Zudem müssen die Hilfsorganisationen ihre Helfer selbst verpflegen: Für die 4500 Flüchtlinge in der Halle hatte die Regierung einen Caterer beauftragt; für die Verpflegung der hundert ehrenamt- lichen Rotkreuz-Helfer mussten wir auf Verbandskosten einen Pizzaservice bestellen. Sie haben kurz nach dem Einsatz aber auch eine bessere Versorgung der Flüchtlinge angemahnt. Wir standen in Messehallen voll mit 1500 Feldbetten, ohne Abtrennung in Abteile, ohne Kissen und Decken, ein paar Matratzen am Boden. Ich war in Passau beim Jahrhundert-Hochwasser, „Der Schlaf kam deutlich zu kurz!“ aber so etwas habe ich noch nicht ge- sehen. Abtrennungen waren nicht mehr lieferbar, auch keine Decken oder Kissen. Deutschlandweit ausverkauft, sagte die Regierung. Ist das denn nicht nachvollziehbar? Ein solcher Ansturm von Flüchtlin- gen in so kurzer Zeit hat Deutschland bis zum Äußersten gefordert. Unser erster Flüchtlingseinsatz war im September 2014 in Feldafing, als wir notfallmäßig Flüchtlinge in einer leer stehenden Fabrik untergebracht ha- ben. Da dachte ich, dass man die Zeit nutzt und Materialreserven anlegt, Pläne macht, alles vorbereitet. Aber offenbar war es nicht für alle offen- sichtlich, wie sich die Lage entwickelt. Nicht einmal, als man schon Bilder ge- sehen hat, wie sich Hunderttausende Flüchtlinge auf den Weg zu uns ma- chen. Man kann nur hoffen, dass sich die Regierung nach all den Jahren und Einsätzen, bei denen wir die Verant- wortlichen immer wieder auf Versor- gungsprobleme hingewiesen haben, nun endlich dieser Sache annimmt und alles regelt, damit wir auch in Zu- kunft noch mit Freude ehrenamtlich aktiv sein können. Ich danke jedenfalls allen Helfern und ihren Angehörigen, die Verständnis zeigen, wenn sie ihre Frau, ihren Mann, ihre Mama, ihren Papa, ihre Tochter oder ihren Sohn nur noch sporadisch sehen. Und danke an die Arbeitgeber, die den Helfern trotz der Rahmenbedingungen frei geben. Anfang September, als sich das Flüchtlingsaufkommen in Richtung München abzeichnete, richteten die Helfer des Roten Kreuzes zunächst eine Notunterkunft in der Nähe des Hauptbahnhofs, im Luisengymnasium, ein. Später stellten sie Feldbetten in drei Riemer Messehallen für mehrere Tausend Flüchtlinge auf. Sie koordinierten die Freiwilligen aus der Bevölkerung und begleiteten Flüchtlings- züge in andere Regionen Deutschlands, um die Reisenden bei Bedarf medizinisch zu versorgen. Nach dem größten Ansturm bauten sie die meisten Quartiere wieder ab. Ludwig Rauch, Kreisbereitschafts- leiter beim Starnberger Roten Kreuz, schildert Details des Einsatzes. Teilweise chaotische Verhältnisse herrschten an den Grenzen und den Registrierungs- zentren in den Ländern entlang der Balkanroute. Die örtlichen Rotkreuz-Helfer taten ihr Möglichstes, um die Asylsuchenden mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen.

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