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MiB_Dezember-2015

29 hatte sich ganz plötzlich verdunkelt, den Gleitschirm schüttelten Turbulenzen durch, und Sven Plöger konnte seinen Flug gerade noch zu Ende bringen. Als gebürtiger Rheinländer hat er ohnehin einen gesunden Respekt vor dem Hochge- birge: „Respekt ist in der Natur ein wichtiges Wort! Ich stelle mich auch vor kürzeren Touren darauf ein, dass das Wetter umschlagen könnte.“ Daher trägt er stets eine Taschenlampe, eine Decke und ein Erste-Hilfe-Set im Rucksack. „Im Notfall rettet mir das vielleicht einmal das Leben.“ Nicht alle Wanderer, Tourengeher und Skifahrer handeln so besonnen. Heinz Neiber und Christoph Krämer wären schon froh, wenn die Bergsportler wenigstens das Notwendigste mit sich führen würden: „Kälte- und Wetter- schutzkleidung“, zählt der Bergwacht-Leiter auf, „inklusive Ersatzwäsche zum Wechseln nach schweißtreibendem Anstieg oder Regen. Und um eine längere Tour durchzuhalten, benötigt der Körper regelmäßig Flüssigkeit und Energie.“ Der zunehmende Tourismus in den Alpen – bedingt durch die gestiegene Akti- vität der Menschen, durch immer neue Trendsportarten, aber auch durch die extrem leistungsfähigen Bergbahnen, die Massen an Erholungssuchenden di- rekt auf die Berggipfel befördern – bedeutet eine stetig wachsende Belastung für Bayerns Bergwacht. Die Münchner unterstützen die regionalen Bereitschaf- ten in ihren Dienstgebieten und sorgen für die Erstversorgung von Verletzten ebenso wie für den Abtransport mit Akia, Rettungswagen oder Hubschrauber ins Krankenhaus. Viele Bergsportler unterschätzten die Natur, ist der Eindruck der Bergwachtler. Ausrüstung auf dem letzten Stand der Technik gaukle eine Sicherheit vor, die es in den Bergen nicht gebe. Sven Plöger beschreibt, wie sich ein Wetterumschwung im sommerlichen Gebirge ankündigt: „Ist viel Feuchtigkeit in der Atmosphäre, wachsen Quell- wolken schon ab dem späteren Vormittag in die Höhe. Es geht fast immer an den Berghängen los, die von der schräg stehenden Sonne am stärksten erwärmt werden.“ Im Gebirge könne das unglaublich schnell gehen: „Gerade war es noch schön, und plötzlich kommen Starkregen, Hagel und schwere Sturmböen auf.“ Vor allem Blitze bildeten eine große Gefahr. Und durch Nässe und Wind kühle ein Körper schnell aus. Im Winter wiederum stellten Lawinen ein unkal- kulierbares Risiko dar – und hier kommt der „mäandrierende Jetstream“ ins Spiel: „Wechseln sich Kalt- und Warmluftvorstöße in schneller Folge ab, taut und friert der Schnee im Wechsel. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Lawi- nen abgehen, extrem hoch.“ Als Skifahrer hat er einmal plötzlichen Nebel er- lebt, „ich war da oben ganz allein und sah keine Markierung mehr, und obwohl ich das Gebiet gut kannte, habe ich sofort die Orientierung verloren“. Er warnt Skisportler vor plötzlich auflebendem Wind oder Verdichtung der Wolken aus einer Richtung. „Dann kommt es vor, dass es innerhalb einer halben Stunde stark abkühlt, die Sicht schlecht wird und es zu schneien beginnt.“ Christoph Krämer weiß, wovon der Meteorologe spricht: „Plötzlicher starker Schneefall führt dann zu Pis- tenverhältnissen, vor denen die Tourengeher gro- ßen Respekt haben müssen.“ Er sei nie ohne GPS unterwegs, denn schon oft sei es vorgekommen, dass er in widrigem Wetter die Abfahrtsroute nicht mehr gesehen habe. Sven Plöger muss nun endlich in die Maske – doch noch während er unter einem ausladenden Schutzumhang und der staubenden Puderquaste verschwindet, führt er das Gespräch unbeirrt weiter. „Wird unser Wetter durch den Klimawan- del eigentlich wirklich immer schlechter?“, fragt Christoph Krämer interessiert. Nun holt sein Gastgeber aus: Der starke Rückgang des Eises in der Arktis legt immer mehr dunkle Wasserober- fläche frei. Und die nimmt im Unterschied zum weißen Eis viel Wärme auf, sodass sich die Tem- peraturen am Pol schnell erhöhen. Damit redu- ziert sich jedoch der Temperaturunterschied zwi- schen Äquator und Pol, und das macht den Jetstream störanfälliger – was wiederum zu ei- ner langsameren Bewegung der Hochs und Tiefs führt. Die Hochs und Tiefs und damit ihr Wetter- charakter bleiben länger bei uns. Die Folge beim Dauer-Sommerhoch ist Dürre, beim sich ewig an einer Stelle drehenden Tief Hochwasser. Unser Wetter wird durch diese Veränderung extremer. Umso wichtiger – gerade für Menschen, die sich in der Natur bewegen – ist eine zuverlässige Wet- tervorhersage. „Wie sicher sind denn Ihre Prog- nosen?“, fragt Heinz Neiber provokant. Sven Plö- ger lobt die enorme Verbesserung durch den Computer und die Erfahrung, die man über die Jahre sammelt. Zu über neunzig Prozent lägen sie damit richtig. Dennoch sei eine sichere Vorher- sage von vielen Variablen abhängig. „Aber un- sere Ankündigung für das Wetter in drei Tagen ist heute immerhin so gut wie vor dreißig Jahren die für den Folgetag.“ Der Countdown für die anstehende Live-Sen- dung wird gleich beginnen. Eine letzte Frage kann sich Christoph Krämer nicht verkneifen: „Wie wird der nächste Sommer?“ Sven Plöger grinst: „Wechselnd bewölkt mit einzelnen Schau- ern und kurzen Aufhellungen bei 13 bis 38 Grad!“ Auf meteorologischer Recherche: Heinz Neiber (l.) und Christoph Krämer vor dem Gebäude der Produktionsfirma auf dem Bavaria-Filmgelände und bei einem Rundgang durchs Aufnahmestudio.

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