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MiB_Dezember_2014

09 ie Zahl der Menschen in Deutschland, die an chronischen, immer wiederkehrenden oder über einen längeren Zeit- raum anhaltenden Schmerzen leiden, liegt in zweistelliger Milli- onenhöhe. Damit gehören Schmerzzustände hierzulande zu den häufigsten und belastendsten Krankheiten. Kopfschmerzen, Rückenbeschwerden und Nervenschmerzen führen die Liste an. Begleitend klagen viele Betroffene über Antriebslosigkeit, Hoff- nungslosigkeit und Ängste. Chronische Schmerzerkrankungen verursachen neben dem persönlichen Leid erhebliche volkswirt- schaftliche Kosten: Milliarden Euro, so die Schätzung des Bundes­ ministeriums für Bildung und Forschung, gehen durch schmerz- bedingte Arbeitsausfälle verloren. Andauernder Schmerz (länger als sechs Monate) kann sogar ein hartnäckiger Begleiter bleiben, wenn seine Ursache längst behoben ist. Denn im Zuge der Chronifizierung kann sich der Schmerz auch auf andere Körperpartien ausbreiten. Oder das „Schmerzgedächtnis“ des Menschen passt sich den Umständen an und speichert die Beschwerden als gegeben ab. Eine solch „grundlose“ Erkrankung belastet die Betroffenen zusätzlich, denn sie wissen, dass sie sich den Schmerz nicht einbilden. Doch tatsächlich ist es so, dass chronischer Schmerz nicht ausschließ- lich von körperlichen Faktoren abhängt, sondern auch seelische und soziale Ursachen haben kann. Daher verzeichnet das Zu- sammenspiel von Medizin und Psychologie die größten Thera- pieerfolge. Mittlerweile gilt chronischer Schmerz als eigenes Krankheitsbild. Über ganz Deutschland verteilte spezialisierte Schmerzzen­ tren vereinen die Kompetenzen von Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten unter einem Dach. Auch viele niedergelas- sene Ärzte lassen sich diesbezüglich ausbilden – man erkennt sie am Zusatz „Spezielle Schmerztherapie“. Denn die Einnahme von Schmerzmitteln ist den Patienten auf Dauer nicht zu empfehlen: Nierenschäden oder Abhängigkeit können die Folge sein. Was Schulmedizin und Naturheilkunde bewirken können, erläutern für „Menschen im Blickpunkt“ eine Betroffene, eine Ärztin und eine Heilpraktikerin: D Die Schulmedizinerin Dr. Susanne Herberger, Münchner Ärztin mit dem Schwerpunkt Palliativmedizin: In den vergangenen zehn Jahren wurde sehr viel auf dem Gebiet des Schmerzes geforscht, und in der medizini- schen Literatur zeichnet die Wissenschaft ein deutliches Bild, wie und warum chronische Schmerzen entstehen. Das Repertoire an erfolgversprechenden Behandlungs- verfahren hat sich wesentlich erweitert und verbessert. Viele Erkenntnisse der vergangenen Jahre werden mitt- lerweile in der Praxis umgesetzt. Bereits der Vorbeugung kommt eine bedeutende Rolle zu: Bei der Vorbereitung einer Operation und in der Zeit nach dem Eingriff sowie im akut- und intensivmedizini- schen Bereich gehört eine wirksame Behandlung von Schmerzen zu den Grundlagen. Die klinische Therapiefor- schung wird in Zukunft verstärkt nach Diagnose- und Behandlungsverfahren suchen, die bereits im akuten, noch nicht chronifizierten Stadium der Schmerzen anset- zen und somit einer Chronifizierung vorbeugen. Doch auch chronische Beschwerden kann man wirksam be- kämpfen. Nach der Diagnose „Chronischer Schmerz“ ist die Ko- operation zwischen Arzt und Patient entscheidend. Syste- matische Fragebogen und Schmerztagebücher helfen bei der Entwicklung sinnvoller Therapieansätze. Die gewon- nenen Informationen sind ein wichtiger Ausgangspunkt für ein ausführliches Gespräch zwischen Patient und the- rapeutischem Team. Die in einem Therapieplan individu- ell festgelegten Ansätze umfassen dann meistens eine Behandlung mittels Pharmaka, aber auch die Betreuung durch Psychologen, Physiotherapeuten und Verhaltens- therapeuten. Dieses Konzept wird unter dem Begriff „multimodaler Behandlungsansatz“ zusammengefasst. Besonders wichtig ist mir die Tatsache, dass Behand- lung und Betreuung von allen genutzt werden sollten, die diese Maßnahmen brauchen. Hausärzte sollten ihren Pa- tienten die Möglichkeit geben, spezialisierte Teams und Mediziner frühzeitig kennenzulernen, und die Verfahren für viele Menschen zugänglich machen. Präventive Kon- zepte in der Schmerzbehandlung und eine frühzeitige Anbindung an Ärzte mit palliativmedizinischem Wissen sollten in der Zukunft selbstverständlich werden. „Hausärzte soll­ten auf Schmerz­-Spezialisten verweisen.“

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