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MiB_Juni_2016

18 Report „Nach einem Strohhalm suchen“ „Bei unserer Arbeit ist eine optimistische Ausstrahlung wich- tig: Wir gehen lächelnd ins Krankenzimmer und sprechen über das schöne Wetter, die Vögel vor dem Fenster, dass der Patient bereits viel besser aussieht oder was wir an Erfreu- lichem in der Zeitung gelesen haben. Diese Sichtweise darf nicht aufgesetzt wirken, daher eignen sich für unsere Tätig- keit nur Menschen, die von Haus aus positiv denken. Aber natürlich haben wir selbst auch einmal Sorgen, und die Stim- mung ist im Keller. Wie richtet man sich dann wieder auf? Wenn man es nicht schafft, der Gegenwart etwas abzu- gewinnen, hilft manchmal ein hoffnungsfroher Blick in die Zukunft: In einer Woche geht es bestimmt schon wieder besser, da hat man das aktuelle Problem gelöst oder hinter sich gelassen. Wer einen zuversichtlichen Blick nach vorn wirft, entwickelt eine Perspektive und muss sich dem momentanen Unwohlsein nicht ausgeliefert fühlen. Soziale Kontakte sind auch ein guter Weg, um aus einer schlechten Stimmung wieder herauszufinden: Denn ange- regte Gespräche lenken vom Kummer ab und laden zum Blick über den eigenen Tellerrand ein. Ebenso hebt Ablen- kung die Laune, zum Beispiel eine Unternehmung, die Spaß macht, oder ein Hobby, das erfüllt. Jeder Mensch hat doch etwas, auf das er sich freut: Man kommt aus dem Haus, hat eine Aufgabe – und schon drehen sich die Gedanken nicht mehr ausschließlich um das, was gerade nicht so gut läuft. Licht am Ende des Tunnels zu sehen kann man sich an- trainieren. Es gelingt, indem man immer nach einem Stroh- halm sucht und das Positive herausfiltert: etwa den Blumen- strauß auf dem Tisch oder die verschmuste Katze, die um die Beine streicht. Dazu muss man natürlich bereit sein, das Elfriede Ponza ist Klientin der Krebsberatung des Münchner Roten Kreuzes. Vor drei Jahren erfuhr sie während einer Routineuntersuchung, dass sie an Lungen- krebs erkrankt ist. Es folgten Bestrahlung und Chemo- therapie, und als sie gerade meinte, es ginge wieder auf- wärts, wurden Metastasen entdeckt. Dennoch kann sie die schönen Momente des Lebens genießen. „Ziele stimmen positiv“ „Trotz einer zweiten Chemo haben sich die Metastasen in meiner Leber vergrößert. Oft habe ich Schmerzen im Bein, so- dass ich kaum gehen kann. An besonders schlechten Tagen ist mein Frust groß, und ich denke mir: Langsam reicht’s! Dann setze ich mir Ziele und plane Unternehmungen, auf die ich mich freuen kann: Reisen zum Beispiel oder der Besuch eines Musicals. Extrem aufgebaut hat mich, dass ich die Hochzeit meines Sohnes noch miterleben konnte. Und vor Kurzem bin ich Oma geworden, das ist das absolute High- light. Die Feier meines 60. Geburtstages habe ich ebenfalls sehr genossen. Während meiner Chemotherapien ging es mir so schlecht, dass ich oft dachte, ich überlebe es nicht. Nun versuche ich, das Beste aus meiner Zeit zu machen. Die Planung von Unter- nehmungen gibt mir Zuversicht. Ich muss zwar mit meiner Rente haushalten, aber manche Sachen gönne ich mir einfach. Je mehr meine Krankheit voranschreitet, desto intensiver kreisen meine Gedanken darum. Wenn ich allein zu Hause sitze, komme ich oft aus dem Grübeln nicht heraus. Dann suche ich mir Ablenkung. Ich umgebe mich mit Bekannten, die auch über andere Themen als Krankheiten reden. Mit meinen Freundinnen und meinen Kindern treffe ich mich regelmäßig, wir gehen essen oder spielen Spiele bei jeman- dem zu Hause. Der rege und informative Austausch in der Selbsthilfegruppe hebt ebenfalls meine Stimmung. Ich mache aber auch viel allein, gehe ins Kino, ins Museum oder einfach nur bummeln. Besonderen Halt gibt es mir, spazieren zu ge- hen und die Natur zu beobachten. Auch wenn ich meistens vertraute Wege gehe, entdecke ich doch immer etwas Neues: adrette Gärten, ein vorwitziges Blümchen, den Duft nach Sommer. Allein die frische Luft hebt die Laune. Wenn ich anschließend nach Hause komme, fühle ich mich gut und bin in einer positiven Stimmung.“ Gertrud Bachmann (l.) und Helga Remmling betreuen als Hospitessen des Münchner Roten Kreuzes Patienten im Krankenhaus, die niemanden haben, der sie besucht. Dabei gibt es nicht nur Organisatorisches und kleine Besorgungen zu erledigen, sondern es geht oft auch darum, den Kranken psychisch aufzurichten.

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